Warum wir die Entstehung des AOC Languedoc der Phylloxera verdanken
Eigentlich ist es schwer zu glauben, dass solch ein
winziges Insekt solch großen Schaden anrichten sollte. Übrigens war man im
Languedoc damals überzeugt, den wahren Schuldigen an der Phylloxera zu
kennen: den Erfinder des Dampfers. Denn wäre der Dampfer nicht erfunden worden,
so hieß es, hätte man den Wein aus Amerika nicht so schnell über den Ozean
transportieren können, und die gefährlichen Blattläuse wären tot gewesen, bevor
sie in Europa ankamen. Doch mit dem Dampfer ging eben alles viel zu schnell.
Als im 18. und 19. Jahrhundert französische Pioniere nach
Amerika gingen, wollten sie auf den guten Wein ihrer Heimat nicht verzichten.
Flaschen konnte man damals noch nicht exportieren oder, besser gesagt, der
Transport war derartig lang und kompliziert, dass der Import von europäischen
Spezialitäten nach Amerika den Reichen vorbehalten war.
Was lag also näher, als den Wein direkt auf dem eigenen
Feld zu produzieren? Denn das geübte Auge der französischen Weinbauern, die
nach Amerika ausgewandert
waren, um dort billiges Land und Reichtum zu finden, stellte bald fest, dass
der Boden in manchen Gegenden dem in Frankreich ähnelte. - Später stellte man
dann fest, dass die geübten Weinbauern sich getäuscht hatten. Sämtliche
Weinstöcke gingen ein. Aber vorher hatte man noch die Zeit, einiges von dem
amerikanischen Wein nach Frankreich zu transportieren - und mit ihm die
Reblaus, die die Phylloxera produzierte.
Die Methode, einen Weinstock zu töten, ist für diese Läuse
ganz einfach: sie greifen die Wurzeln an und saugen von dort aus den Saft aus
der Pflanze, die langsam aber sicher eingeht. So kriegt man die Phylloxera erst
mit, wenn es definitiv zu spät ist. Das Gebiet des heutigen AOC Languedoc wurde
am schwersten betroffen. Die Rebart, die damals dort wuchs, Vitis vanifera,
"schmeckte" den Rebläusen ganz ausgezeichnet, und schon bald gab es
fast keinen Weinberg mehr, der der Phylloxera nicht zum Opfer gefallen wäre.
Languedoc ohne Wein - undenkbar. Es musste also schnell
Abhilfe geschaffen werden. Und die Wissenschaftler, die sich an der Universität
von Montpellier zusammengetan hatten, fanden bald eine logische Lösung: wenn
der Schädling aus Amerika eingeschleppt wurde, dort aber nur die importierten französischen
Weinstöcke zerstört, so müssen die amerikanischen Rebsorten ja eigentlich immun
sein. - Es war sicherlich nicht leicht, die Winzer aus dem Languedoc davon zu
überzeugen, ihre einheimischen Weine auf amerikanische Wurzelstöcke zu pfropfen
- doch am Anfang schien dies die einzige Lösung zu sein, schnell wieder einen
Qualitätswein zu produzieren.
Leider funktionierte auch diese Idee nicht lange. Die
amerikanischen Wurzelstöcke konnten sich nicht so recht dem Boden des Languedoc
anpassen. So war man gezwungen, minderwertige Rebsorten aus Spanien zu
importieren, zum Beispiel den Carignan oder den Mourvèdre.
Doch schon Mitte des 20. Jahrhunderts war es klar, dass
diese ursprünglich minderwertigen Rebsorten nichts "minderwertiges"
mehr an sich hatten. Und als der erste Wein von Languedoc zum AOC Languedoc (geprüfte
Herkunftsbezeichnung) erklärt wurde - der AOC Fougères -, da wusste man, dass
die Phylloxera den Weinliebhabern fast einen Gefallen getan hatte. Denn mit der
Erneuerung war den Winzern klar geworden, dass beim Wein nicht die Quantität
sondern die Qualität zählte. Und aus den importierten
"minderwertigen" Rebarten ist der weltweit bekannte Spitzenwein AOC
Languedoc geworden...
Copyright: Sandra Winters
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