Wie man in der französischen Camargue, mitten in der Provence, den "Vin des Sables" erfand
Der Wein aus der Camargue ist bekannt seit dem
Mittelalter, und sicher gab es zu dieser Zeit auch schon Weinberge, die auf
sandigem Gelände angepflanzt waren. Wir wissen, dass schon die französischen
Könige Karl VI. und VII. den Sandwein für ihren persönlichen Bedarf bestellten,
und 1406 und 1431 erließen sie spezielle Verordnungen für den Verkauf des Vin des
Sables in Aigues-Mortes. Der Wein jedoch, den man heute den "echten" Vin des Sables de Camargue nennt, wurde erst 1880 "erfunden".
Zu dieser Zeit war die Compagnie des Salins du Midi
(Gesellschaft für die Salzgewinnung im Mittelmeerraum) der größte Arbeitgeber
der Camargue. Als die Phylloxera ausbrach und in kürzester Zeit ganze
Weinberge zerstörte, beobachteten die Experten der Gesellschaft, dass gewisse
Gegenden von dem Übel erspart blieben. Ihre Analyse ließ sie schnell erkennen,
dass es sich um die Weinberge handelte, die auf Sandboden angelegt waren und
regelmäßig überflutet wurden.
So entschied die Compagnie des Salins du Midi,
diese Erkenntnis in Gewinn umzusetzen. Ihre Direktoren hatten wohl verstanden,
wie wertvoll es wäre, zur Zeit des großen Weinsterbens einen Wein anzupflanzen,
der immun gegen die Phylloxera ist. Die Gesellschaft besaß den ganzen
Sandstreifen zwischen dem Meer und den Lagunen von Aigues-Mortes bis
Saintes-Maries-de-la-Mer und zwischen Sète et Marseillan, ein Gebiet, mit dem man
an sich wenig anfangen konnte - außer es in Sandweinpflanzung zu verwandeln.
1955 gründete die Gesellschaft für Salzgewinnung dann die
Firma Listel, die sich, unabhängig von der Ausbeutung des Meersalzes,
der Vermarktung des Vin des Sables widmen sollte. Inzwischen ist Listel zum
größten Produzenten von Vin des Sables de Camargue geworden.
Die enormen Gewinne, die die Vins des Sables de Camargue
in den Jahren der Phylloxera erzielten und die bis 1930 immer noch anstiegen,
gaben den Weingütern die Möglichkeit, sich immer mehr auf die Qualität ihres
Weines zu konzentrieren. Es war nicht zuletzt dem Einfluss der Compagnie des
Salins du Midi zu verdanken, dass der Sandwein von Aigues-Mortes am Concours
général agricole in Paris 1897 teilnehmen konnte. Die Repräsentanten der
Camargue stellten ihn unter dem Namen Exploitation de Vignoble de Sables
vor, "Erschliessung der Weinberge des Vin des Sables".
Seit 2009 - das heißt, seitdem das Gütezeichen eingeführt
wurde - darf der Vin des Sables sich IGP nennen. Das Gütezeichen Indication Géographique Protégée (Geschützte Herkunftsbezeichnung)
garantiert den Konsumenten, das der Wein unter gewissen gesetzlich festgelegten
Bedingungen hergestellt wird und ausschließlich die erlaubten Rebsorten
enthält. Die Bezeichnung IGP löste eine ältere Auszeichnung ab, die Vin de Pays des Sables du Golfe du Lion (Landwein auf Sand vom Golf du
Lion), die 1973 vom französischen Landwirtschaftsministerium vergeben wurde.
Doch viele Weingüter gehen
weiter, als es die Bestimmungen des IGP verlangen: sie produzieren Bio. Eine
biologische Weinherstellung ist für die Vin des Sables natürlich nahe liegender
als für die meisten anderen Weine: der Sand ist ein natürliches
Insektenvernichtungsmittel - er ist ständig in Bewegung und zermalmt
automatisch jedes Insekt, dass versuchen würde, zur Wurzel eines Weinstocks
durchzudringen. Dazu kommt noch die regelmäßige Überflutung der Weinberge, die
die Schadinsekten endgültig zerstört.
Nachdem die Vins de Sables nicht
viel Düngemittel brauchen - der kalkhaltige Quarzsand, auf dem
sie wachsen, reicht ihnen vollkommen aus, können die Winzer auch auf chemische
Düngemittel verzichten. Das einzige Problem der Weinberge aus Sand ist der
starke Wind der Provence. Sie mussten also ein Mittel finden, um die Anhäufung
des Sandes an einzelnen Stellen zu vermeiden.
Ihr erster Schutz gegen den Wind bestand in regelrechten
Hecken aus Rohrstock, die quasi undurchdringlich waren. Doch dann kam die Idee
auf, nach der Weinlese Gras oder Getreide zwischen den Weinstöcken auszusäen.
So fixieren die Gräser im Winter den Sand zwischen ihren Wurzeln. Und im
Frühling, wenn die Winzer ihre Weinberge umpflügen und das Gras oder Getreide
mit der Erde vermischen, werden sie auch noch zum rein biologischen Dünger.
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